Kai Dröge | Zur Entstehung von Intimität im Internet Eine wissenssoziologische Untersuchung am Beispiel Online Dating
Kai Dröge
Zur Entstehung von Intimität im Internet
Eine wissenssoziologische Untersuchung am Beispiel Online Dating (Erweiterte Fassung eines Vortrages auf der Tagung der Sektion Wissenssoziologie der DGS, März 2011, Freiburg i. Br.)
IfS Working Paper #2
Dieser Beitrag untersucht den Prozess der Herausbildung von Intimität im Internet sowie die typischen Schwierigkeiten, die dabei auftreten. Die empirische Basis bilden eigene Untersuchungen über Online Dating.
Der seit Jahren ungebrochene Trend zur immer stärkeren Nutzung des Internets als Medium der Beziehungsanbahnung wird in der internationalen Forschungsliteratur häufig als Moment der Rationalisierung von Paarbeziehungen gedeutet. Dagegen zeigt die vorliegende Analyse, dass dieses Medium auch breiten Raum für Intimität und Emotionalität gibt, die sich in Begriffen der rationalen Interessenverfolgung nur unzureichend beschreiben lassen. Stattdessen greife ich auf eine klassische wissens-soziologische Analyse von Peter L. Berger und Hansfried Kellner aus den 1960er Jahren zurück, die heute im Internet überraschende Aktualität gewinnt. Berger und Kellner verstehen die Paarbildung als einen „nomischen“ Prozess, der die alltäglichen Wirklich-keitskonstruktionen der Beteiligten zunächst in eine Krise führt, diese dann aber wieder neu ordnet und so das Paar als eine intime und exklusive soziale Einheit konstituiert. Das Internet kann diesen Prozess sehr begünstigen, aber es gibt auch gegenläufige Entwicklungen: So erzeugt die große Zahl und schnelle Folge der Kontakte Abstump-fungen und Routinen, die schließlich die Bindungsfähigkeit der Beteiligten überhaupt untergraben. Zudem ist es schwierig, die online entstandene Nähe und Intimität in die Sphäre außerhalb des Mediums zu übertragen. Diese Beobachtungen führen schließlich zu einer Kritik der klassisch wissenssoziologischen Herangehensweise, die dem körpergebundenen Wissen eine zu geringe Beachtung schenkt. Außerdem werden aus der Untersuchung Schlussfolgerungen über die generelle Krisenanfälligkeit einer zunehmend mediatisierten Sozialwelt abgeleitet.