Dominik Herold | Scham als Herrschaftstechnik. Der »transclasse« als prototypische Figur radikaldemokratischer Affektpolitik
In den letzten Jahren sind autosoziobiografische Erzählungen über Klasse breit rezipiert worden. Die Schriften von Annie Ernaux, Didier Eribon oder Édouard Louis beleuchten aus unterschiedlicher Perspektive, wie sich die kapitalistische Verfügungsgewalt in die Körper einschreibt und Klassensubjekte formt. In meinem Working Paper stütze ich mich auf eine in diesem Literaturgenre prominente Figur – den transclasse –, um aufzuzeigen, welche Rolle dem Affekt der Scham als dominanter Reproduktionskraft für die Klassenherrschaft zukommt. Da sich nicht alle Menschen in gleichem Maße oder auf die gleiche Weise schämen, möchte ich der Frage nachgehen, wer welcherart für Scham empfänglich(er) gemacht wird und welche demokratietheoretischen Konsequenzen daraus folgen, wenn Scham als existenziell wahrgenommen wird, obwohl sie politisch erzeugt ist. Ich werde argumentieren, dass ein produktiver Schamumgang es nicht nur erlaubt, das Bild eines schicksalshaften »Individualgefühls« von Einzelnen zu desavouieren, sondern zudem radikaldemokratische Ressourcen anderer Affektpolitiken freilegt. Scham so zu deuten, hilft zu verstehen, dass der Kampf um und für Demokratie immer auch ein Kampf um und für Affekte ist.