Die Bewährung von Paarbeziehungen in der Bewältigung des Alltags. Zur Struktur und Entwicklung der partnerschaftlichen Kooperation in Hausarbeit, Erwerbsarbeit und Kinderfürsorge
Prof. Dr. Axel Honneth, PD Dr. Kai-Olaf Maiwald, Dipl. Soz. Roger Greunke
Themen wie die weiterhin ungleiche Verteilung der Hausarbeit in Paarbeziehungen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die Frage einer adäquaten inner- oder außerfamilialen Kinderbetreuung haben im öffentlichen Diskurs präsent gemacht, was insbesondere jüngere Paare schon seit längerem erfahren: Die Bewältigung der Anforderungen des Alltags ist für Paarbeziehungen zu einem Problem eigener Art geworden. Die partnerschaftliche Kooperation in Hausarbeit, Berufsarbeit und Kinderfürsorge stellt selbst eine Leistung dar, die häufig als konfliktreich erfahren wird. Es scheint oft nicht leicht zu sein, einen befriedigenden Modus der Arbeitsteilung im Alltag zu finden. Hintergrund dieser Erfahrungen ist, dass als Folge von Enttraditionalisierungsprozessen sich Paare heutzutage nicht mehr wie selbstverständlich am bürgerlichen Modell der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern orientieren können. Vielmehr hat sich auf einer allgemeinen normativen Ebene die »Idee der Gleichheit« etabliert. Paare sind damit heutzutage aufgefordert, eine für sie gültige Teilung von Hausarbeit, Erwerbsarbeit und Kinderfürsorge autonom zu finden. Die eingangs angesprochenen Themen verweisen darauf, dass dieser Prozess durchaus prekär ist.
Gleichzeitig ist seine Bedeutung für die Beziehungen selbst gestiegen. Es gilt heute als selbstverständlich, dass die Bewältigung der Anforderungen des Alltags in einem gemeinsamen Haushalt einen wichtigen Prüfstein für junge Paare darstellt. Das bürgerliche Ehemodell mit seiner Einheit von Eheschließung, Haushalts- und Familiengründung hat sich sowohl faktisch wie normativ zugunsten eines längeren Prozesses der Paarbildung aufgelöst. In diesem Prozess markiert die Ehe typischerweise nicht den Beginn, sondern den Endpunkt einer Entwicklung des gemeinsamen Zusammenlebens, die häufig auch die Familiengründung einschließt. Bei dieser Entwicklung dürfte die Ausbildung eines gemeinsamen Modus der häuslichen Arbeitsteilung eine große Rolle spielen.
Der Zusammenhang von häuslicher Arbeitsteilung und Paarbildung steht im Zentrum dieses von der DFG geförderten Projekts (Antragsteller: Prof. Dr. Axel Honneth; Projektmitarbeiter: PD Dr. Kai-Olaf Maiwald), das im Januar 2005 begonnen hat. Dabei folgt es der in der Familiensoziologie bisher wenig berücksichtigten Annahme, dass sich Paarbeziehungen vor allem im praktischen Zusammenleben bewähren müssen. Es macht eine Perspektive stark, in der die Paarbeziehung pointiert als spezifische Kooperationsbeziehung verstanden wird. In dieser Perspektive stellt sich die Frage des Gelingens beziehungsweise Scheiterns nicht allein im Hinblick auf die emotionale Qualität der Beziehung. Auch wenn Paarbeziehungen primär emotional gestiftet sind, erscheint als herausgehobener Ort ihrer praktischen Bildung und Bewährung die gemeinsame Bewältigung der Anforderungen des Alltags. Dieser Prozess steht vor Restriktionen, die – vor dem Hintergrund von Doppelberufstätigkeit und gestiegenen Flexibilitätsanforderungen – insbesondere in der alltagspraktischen und biographischen Vereinbarung von Beruf und Familie zu sehen sind. Das Projekt will der Frage nachgehen, unter welchen Bedingungen er dennoch gelingen kann.
Mit dieser Ausrichtung knüpft das Projekt an Erkenntnisse der Hausarbeitsforschung an. Hatten die seit den 1970er Jahren vermehrt erfolgenden Forschungen anfänglich eine eher geschlechtersoziologische Ausrichtung (Hausarbeit als ein zentraler Ort der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern), so geht die neuere Entwicklung deutlicher in eine familiensoziologische Richtung. Hausarbeit wird zu einem Schlüsselphänomen für die Analyse von Paar- und Familienbeziehungen. Dies hat vor allem zwei Gründe. Zum einen wird versucht, Arbeitsteilungsstrukturen im Zusammenhang der Entwicklung der Paarbeziehung selbst zu betrachten. Die praktizierte Arbeitsteilung ist nicht Ausdruck einer einmal getroffenen Entscheidung des Paares, sondern ist Ergebnis einer Geschichte von Aushandlungs- oder Interaktionsprozessen. Zum anderen lässt sich die Entwicklung einer Arbeitsteilung nicht mehr als ein bloß »logistisches« Problem verstehen, das bewältigt werden muss. Vielmehr wird jetzt gesehen, dass praktische Kooperation und emotionale Dynamik eine Einheit bilden. Die Herausbildung eines gemeinsamen Modus der Kooperation scheint deshalb für das Entstehen und den Bestand von Paarbeziehungen von essentieller Bedeutung zu sein.
Das Projekt will die Entwicklung und Struktur derartiger Kooperationsmodi anhand von 20 Paaren mit Kindern im Kindergartenalter untersuchen, die sukzessive anhand von Kontrastkriterien ausgewählt werden. Es werden für jeden Fall sowohl paarbiographische Interviews wie biographische Einzelinterviews erhoben. Die so gewonnenen Daten werden mit der objektiv-hermeneutischen Sequenzanalyse ausgewertet – ein Verfahren, das es ermöglicht, auch latente, unauffällige Strukturen und Prozesse zu rekonstruieren. Die wesentlichen Ziele des Projektes sind: 1) die Herausbildung von Kooperationsmodi in der Entwicklung von Paarbeziehungen zu rekonstruieren; 2) fallübergreifende Typen von Kooperationsmodi herauszuarbeiten; 3) allgemeine Strukturen und Mechanismen der Bildung einer stabilen und für eine Familiengründung offenen Paarbeziehung zu identifizieren sowie immanente Spannungen und Restriktionen dieses Prozesses zu benennen.
Veröffentlichungen
Maiwald, Kai-Olaf 2009: Die Herstellung von Gemeinsamkeit. Alltagspraktische Kooperation in Paarbeziehungen, in: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 6. 1, 155–165.
Maiwald, Kai-Olaf 2007: Freiheit gegen Hausarbeit. Ungleichheitsstrukturen in modernen Paarbeziehungen, in: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung, 4. 2, 35–55.
Maiwald, Kai-Olaf 2007: Die Liebe und der häusliche Alltag. Überlegungen zu Anerkennungsstrukturen in Paarbeziehungen, in: Christine Wimbauer, Annette Henninger und Markus Gottwald (Hg.): Die Gesellschaft als »institutionalisierte Anerkennungsordnung« – Anerkennung und Ungleichheit in Paarbeziehungen, Arbeitsorganisationen und Sozialstaat. Opladen und Farmington Hills: Barbara Budrich, 69–95.