Wertschöpfung und Anerkennung im Finanzdienstleistungssektor
Das Vorhaben im Rahmen des BMBF geförderten Verbundprojekts PRIDE »Wertschöpfungstransparenz und Wertschätzung als Innovationsressourcen für den Dienstleistungsbereich« befasst sich mit den Auswirkungen aktueller Restrukturierungsprozesse im Bankensektor auf bestehende Formen qualifizierter Dienstleistungsarbeit. Untersucht wird dabei der Zusammenhang von Anerkennung, Wertschätzung und Wertschöpfung. Tendenzen der Prozessrationalisierung, der Industrialisierung und Standardisierung von Finanzdienstleistungen und der Segmentierung der bankwirtschaftlichen Wertschöpfungskette erfordern ein neues Verständnis von Dienstleistungsprofessionalität. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Erosion des traditionellen Bankermilieus und des damit verbundenen Verlustes verlässlicher und sozial geteilter Bewertungsmuster zur Identifikation von Leistungsbeiträgen wird der Zusammenhang von Wertschöpfung und Anerkennung ausgelotet. Wie angesichts der veränderten Rahmenbedingungen im Finanzdienstleistungssektor eine innovationsoffene Anerkennungskultur etabliert werden kann, ist dabei die leitende Forschungsfrage.
Parallel dazu wird das Projekt »Neue Formen der Anerkennungskommunikation im Finanzdienstleistungsbereich – Die Innovation des Worksite Bankings« der Degussa Bank wissenschaftlich begleitet. Gegenstand der Untersuchung ist die Strategie zur Dienstleistungsinnovation der Degussa Bank, die maßgeblich aus der Unternehmensgeschichte heraus zu verstehen ist. Die Degussa Bank hat in den zurückliegenden Jahren den Wandel vom konzerninternen Finanzdienstleister zu einer Bank mit einem eigenständigen neuen Geschäftsmodell vollzogen. Sie folgte dabei weder dem Konzept einer klassischen Filialbank, noch imitierte sie das Geschäftsmodell des neuen Eigentümers (einer Direktbank), sondern entwickelte sich zu einer Worksite-Bank, die bestimmte Dienstleistungen, die im Konzernverbund insbesondere für die Mitarbeiter erbracht wurden, nunmehr anderen Unternehmen anbietet. Es gelingt ihr dabei, in einer Zeit, in der Deutschland als »overbanked« beschrieben wird und die meisten Wettbewerber den Fokus einseitig auf Kostenreduktion, Rationalisierung, Segmentierung der finanzwirtschaftlichen Wertschöpfungskette und die »Industrialisierung« von Prozessen richten, stark zu wachsen, das Geschäft auszuweiten und neue Mitarbeiter einzustellen. Die Loslösung vom Mutterkonzern, die Übernahme durch ein Unternehmen, das von seiner Geschichte her ganz andere Traditionen aufwies, bedeutete für die Bankmitarbeiter, die gewohnt waren, in traditionellen Filialbanken oder Sparkassen zu arbeiten und die eine abgestufte Hierarchie innerhalb der Filialorganisation kannten, erhebliche Umlernprozesse. Das Fehlen von Zwischeninstanzen beförderte Autonomiegewinne, löste indes zugleich Orientierungsbedarf aus. Traditionelle Karrierepfade fielen weg, das Gewicht der einzelnen Geschäftsbereiche veränderte sich. Unter den veränderten Kontextbedingungen, so die hier verfolgte Hypothese, wird es für die Beschäftigten gleichermaßen notwendig wie schwierig, sich des eigenen Leistungsbeitrags zu vergewissern und diesen sichtbar machen zu können.
Das methodologische Vorgehen basiert im Wesentlichen auf Expertengesprächen mit dem Management mehrerer im Rhein-Main-Gebiet ansässiger Banken sowie mit Berater/innen und Mitgliedern der Interessenvertretung. Darüber hinaus werden themenzentrierte offene Interviews mit Mitarbeiter/innen verschiedener Banken und Teilnehmer/innen berufsbegleitender Weiterbildungsveranstaltungen durchgeführt. Das Begleitforschungsprojekt untersucht die seitens der Degussa Bank im Zuge der Umwandlung zur Worksite Bank aufgesetzten betrieblichen Einzelprojekte. Die durch Experteninterviews vorbereitete ethnographische Forschungsstrategie arbeitet mit Dokumentenanalysen, teilnehmender Beobachtung und Intensivinterviews.