Antragstellung und Projektleitung: Prof. Dr. Axel Honneth (Sprecher), Prof. Dr. Klaus Günther, Prof. Dr. Kai-Olaf Maiwald, Prof. Dr. Juliane Rebentisch, Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty
Projektbearbeitung: Marie Diekmann, M. A., Dr. Judith Mohrmann, Sarah Mühlbacher, M. A., Dr. Sarah Speck, Dr. Inken Sürig, Felix Trautmann, M. A., N. N.
Das aus fünf Teilprojekten zusammengesetzte Verbundprojekt macht es sich zur Aufgabe, gezielt zur Umsetzung des übergreifenden Forschungsprogramms des Instituts beizutragen, indem es die systematische Reflexion in enger Verschränkung mit empirischen Studien fortentwickelt.
Ausgangspunkt bildet die Feststellung, dass es innerhalb der Gesellschaftstheorie inzwischen beinahe als ausgemacht gilt, dass die Verwirklichung normativer Prinzipien in der sozialen Wirklichkeit häufig zu Effekten führt, die den ursprünglichen Absichten widersprechen. Jeder erst einmal als sozialmoralischer Fortschritt zu verbuchende Prozess der rechtlichen Gleichstellung, der Liberalisierung und Demokratisierung scheint davon bedroht zu sein, entweder in wachsende Sozialkontrolle und Entmündigung, zunehmende Vermarktlichung oder politisch erzwungene Homogenisierung umzuschlagen. Den in dieser Beobachtung erfassten Sachverhalt wird sozialtheoretisch mit dem Konzept der normativen Paradoxie beschrieben.
Im Unterschied zur älteren Fortschrittsskepsis ist diese neue Bewusstseinsform durch eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Zweischneidigkeit des normativen Fortschritts selbst gekennzeichnet. Während früher für die lebensweltlichen Rückschritte vor allem ungünstige ökonomische oder politische Umstände verantwortlich gemacht wurden, sind es heute vermehrt entweder die normativen Prinzipien selbst oder die Prozesse ihrer sozialen Institutionalisierung, die als Erklärung für die negativen Entwicklungen in Anschlag gebracht werden. Während eine reformorientierte Politik die Ursache der Verkehrung wahrscheinlich eher bei Fehlern in der Umsetzung sucht, dürfte konservative Politik dazu neigen, die Ursache in den normativen Prinzipien selbst zu vermuten.
In dem Projekt geht es in einem ersten Schritt darum, die Reaktionsmuster auf die paradoxalen Effekte sozialmoralischer Reformen genauer zu untersuchen, um zu einer Typenbildung der verschiedenen Verhandlungsformen normativer Paradoxien zu gelangen; in einem zweiten Schritt soll der Versuch unternommen werden, zu klären, welche der Erklärungen im Ganzen (verkürzt: intrinsische Ambivalenz des normativen Ideals vs. Probleme der Institutionalisierung) als die angemesseneren gelten können. Dies soll wiederum qualifizierte Aussagen über die politisch brisante Frage erlauben, ob die beobachteten Negativwirkungen von Reformprojekten durch reflexive Korrekturen der Begleitumstände beziehungsweise eine differenziertere Interpretation der jeweiligen Norm aufgehoben werden können oder ob sie als unvermeidbare Folgen der Emanzipationsbemühungen zu betrachten sind, was eine Rückkehr zum politisch Bewährten nahelegen oder aber im Gegenteil fortgesetzte Reformanstrengungen motivieren kann.
Das Projekt verschränkt sozialphilosophische, ästhetische, rechtswissenschaftliche sowie empirisch verfahrende sozialwissenschaftliche Einzelprojekte und analysiert die genannten Fragestellungen auf drei Ebenen, indem es intellektuelle Akteure (Protagonisten der Ideengeschichte), öffentlich-institutionelle Akteure sowie Alltagsakteure in den Blick nimmt. Es teilt sich auf in die folgenden fünf Teilprojekte:
• Ideengeschichtliche Rekonstruktionen normativer Paradoxien (Axel Honneth, Judith Mohrmann, N.N.)
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• Paradoxien der Gleichheit im Recht (Klaus Günther, Marie Diekmann)
• Paradoxien des Kindeswohls (Ferdinand Sutterlüty, Christian Zeller, Sarah Mühlbacher) | mehr …
• Paradoxien der Gleichheit. Die Demokratie und ihre Kulturindustrie (Juliane Rebentisch, Felix Trautmann) | mehr …
• Paradoxien der Gleichheit in Eltern-Kind-Beziehungen (Kai-Olaf Maiwald, Sarah Speck, Inken Sürig, N.N.).