Schlaglichter auf 100 Jahre IfS
Das Schlüsselbuch
Das IfS wird 100 - und Schlaglichter werden auf seine häufig sagenumwobene, in jedem Fall aber wechselhafte Geschichte geworfen.
Schlaglicht 2: Schlüsselbuch
Die »Nachweisung über ausgegebene Schlüssel«, die drei Tage vor dem »Einzugsdatum: 20. Oktober 51« beim Direktor beginnt, ist kein Archivobjekt, sondern eines der Verwaltung des Instituts für Sozialforschung. Das Buch spricht vordergründig für sich: Seit der Eröffnung des Neubaus des Instituts wird bis heute eingetragen, wer wann welchen Schlüssel fürs Haus bzw. für bestimmte Räumlichkeiten bekommt, wer seinen Schlüssel wann zurückgegeben oder verloren hat, kurzum: Das Buch belegt, wo sich gegenwärtig die Schlüssel für die Schließanlage befinden, und da es noch etliche freie Seiten enthält, wird es noch eine Weile am Institut in Gebrauch sein.
Die Harmlosigkeit dieses pittoresken Stücks aus der verwalteten Welt ist allerdings Schein. Die ersten Einträge sind jenen vorbehalten, die fast zwanzig Jahre zuvor ihrer verwaltungsgemäßen Vernichtung hatten entkommen können und sich nun einer Aufgabe mit ungewissem Ausgang stellten: Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Friedrich Pollock, Gretel Adorno, Margot von Mendelssohn.
Es folgen Generationen von, nicht mehr nur deutschen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und Angestellten: Eine Erfolgsgeschichte, solange diejenigen keine Beachtung finden, die sich im Oktober 1951 nicht mehr in ein deutsches Institut einfinden wollten oder konnten. Zum Zeugnis realer Geschichte wird das Schlüsselbuch des Instituts für Sozialforschung jedoch erst im Eingedenken jener Opfer, derentwegen sich die Davongekommenen überhaupt erst zur Rückkehr ins Land der Täter entschieden: um, wie Adorno einmal formulierte, »zur politischen Aufklärung einiges helfen zu können«.
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