Mittwoch – Freitag

Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Bockenheim, Hörsaal IV

Adorno-Vorlesungen

Adorno-Vorlesungen

Zu den verbreiteten Ansichten über das moderne Leben gehört, dass es nicht mehr erzählt werden kann. Prominent hat Adorno, darin Benjamin folgend, diese Diagnose gestellt. Etwas später macht Lyotard das Ende der Großen Erzählungen zum Losungswort der condition postmoderne. Es ist jedoch leicht zu sehen, dass solchen Befunden ihrerseits eine narrative Konstruktion zugrunde liegt. Sie machen von einem sentimentalischen Erzählschema Gebrauch, mit dem die europäische Moderne sich selbst seit ihren Anfängen kulturkritisch kommentiert. Insofern hängt das Erzählen in der Moderne aufs engste mit den Selbsterzählungen der Moderne als einer kollektiven Unternehmung zusammen.
Die diesjährigen Adorno-Vorlesungen befassen sich mit der so verstandenen Poiesis der Moderne. Sie setzen mit jener Erzählrevolution ein, in der aus dem Überliefern von Historien zu chronikalen oder exemplarischen Zwecken der Kollektivsingular Geschichte gebildet wird, der zu einer »sowohl transzendenten als auch transzendentalen« (Koselleck) Macht heranwächst. Ihr Schwerpunkt liegt dementsprechend um 1800, insbesondere auf Hegels Geschichtsphilosophie. Drei Fragenkomplexe sind zu behandeln: 1) Welche Erzählstränge führt Hegel in seinem System zusammen? 2) Welche epistemologischen und narrativen Konsequenzen ergeben sich aus dem Anspruch, Geschichte als ein sich in sich selbst schließendes System zu konstruieren? 3) Wie gestaltet sich in Gegenreaktion auf das hegemoniale Konzept der Geschichte die unter postkolonialen Vorzeichen erneuerte Pluralisierung von Geschichten (histories) und Modernitäten, und welche Konsequenzen hat dies für aktuelle Bemühungen um eine erzählerische Selbstvergegenwärtigung Europas?
Albrecht Koschorke ist Professor für Neuere Deutsche Literatur und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Konstanz, wo er 2003 aus Mitteln des Leibnizpreises die Forschungsstelle »Kulturtheorie und Theorie des politisch Imaginären« eingerichtet hat, seit 2006 Mitglied im Vorstand des Exzellenzclusters »Kulturelle Grundlagen von Integration« sowie, seit 2010, Sprecher des Graduiertenkollegs »Das Reale in der Kultur der Moderne« ist. Von 2004 bis 2009 lehrte Albrecht Koschorke zudem als regelmäßiger Gastprofessor an der University of Chicago. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen: Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer allgemeinen Erzähltheorie. Frankfurt a. M.: S. Fischer 2012; Die Heilige Familie und ihre Folgen. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch 2011 [2000]; Körperströme und Schriftverkehr. Mediologie des 18. Jahrhunderts. München: Fink 2003 [1999]; Die Geschichte des Horizonts. Grenze und Grenzüberschreitung in literarischen Landschaftsbildern. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1990.

Die Frankfurter Adorno-Vorlesungen
Seit 2002 veranstaltet das Institut für Sozialforschung in Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp Verlag jährlich Vorlesungen, die an drei Abenden an Theodor W. Adorno erinnern sollen. Dabei geht es nicht um eine philologische Ausdeutung seines Werks, sondern darum, seinen Einfluss auf die heutige Theoriebildung in den Humanwissenschaften zu fördern und die lebendigen Spuren seines interdisziplinären Wirkens in den fortgeschrittenen Strömungen der Philosophie, der Literatur-, Kunst- und Sozialwissenschaften sichtbar zu machen.

Mittwoch – Freitag

Goethe-Universität Frankfurt am Main, Campus Bockenheim, Hörsaal IV

Adorno-Vorlesungen

Adorno-Vorlesungen

Wolfgang Streecks Ausgangsthese ist, dass der »Spätkapitalismus« der Krisentheorien der 1960er und 1970er Jahre in Wahrheit der Anfang einer damals unvorstellbaren Expansion kapitalistischer Produktions- und Konsumtionsverhältnisse war. Allerdings war diese Expansion von einer fast vier Jahrzehnte langen Abfolge von Inflation, Staatsverschuldung und Privatverschuldung begleitet, die in der gegenwärtigen internationalen Banken- und Fiskalkrise ihren vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Diese wiederum hat sich zu einer fundamentalen Krise der Koexistenz von Demokratie und Kapitalismus sowie des Staatensystems der entwickelten Industriegesellschaften insgesamt ausgewachsen.
Die Vorlesungen behandeln die Verhinderung beziehungsweise den Aufschub der in den 1970er Jahren vorhergesagten »Legitimationskrise« durch Inflation, Staats- und Privatverschuldung, die nacheinander bis zum Zusammenbruch des »Pumpkapitalismus« (Dahrendorf) nach 2007 als verteilungspolitische Pazifizierungsinstrumente an die Stelle des Wachstums der Nachkriegsjahre getreten waren. Sie beschreiben den Weg in die Finanz- und Fiskalkrise der Gegenwart als Prozess einer langfristigen Transformation des Verhältnisses von Demokratie und Kapitalismus, zeichnen den Wandel vom Steuer- zum Schuldenstaat nach, untersuchen seine Folgen für demokratische Politik und diskutieren die gegenwärtige Entwicklung hin zu einem Konsolidierungs- und Austeritätsstaat.

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Streeck ist seit 1995 Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln und Professor für Soziologie an der Universität zu Köln. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen im Themenbereich der Vorlesungen zählen aus jüngster Zeit: Re-Forming Capitalism: Institutional Change in the German Political Economy. Oxford: Oxford University Press 2009; Markets and Peoples. Democratic Capitalism and European Integration, in: New Left Review 73, Januar/Februar 2012, 63–71; The Crises of Democratic Capitalism, in: New Left Review 71, September/Oktober 2011, 5–29 (Deutsch in: Lettre International 95, Winter 2011, 7–17); Taking Capitalism Seriously: Towards an Institutional Approach to Contemporary Political Economy, in: Socio-Economic Review 9. 1, 2011, 137–167; Politik im Defizit: Austerität als fiskalpolitisches Regime (mit Daniel Mertens), in: Der moderne
Staat 3. 1, 2010, 7–29.

Die Frankfurter Adorno-Vorlesungen
Seit 2002 veranstaltet das Institut für Sozialforschung in Zusammenarbeit mit dem Suhrkamp Verlag jährlich Vorlesungen, die an drei Abenden an Theodor W. Adorno erinnern sollen. Dabei geht es nicht um eine philologische Ausdeutung seines Werks, sondern darum, seinen Einfluss auf die heutige Theoriebildung in den Humanwissenschaften zu fördern und die lebendigen Spuren seines interdisziplinären Wirkens in den fortgeschrittenen Strömungen der Philosophie, der Literatur-, Kunst- und Sozialwissenschaften sichtbar zu machen.